Blog: Service Developments sind für Investoren der Schlüssel zu antizyklischen Immobilieninvestitionen
Ein Beitrag von Niklas Kamm, Geschäftsführer der S&P Commercial Development
Nach einer langen dynamischen Marktphase hat sich der Wohn- und Gewerbeimmobilienmarkt seit etwa Mitte des Jahres 2022 deutlich abgekühlt. Hauptgrund sind die der Inflation folgenden, historisch rasanten Zinserhöhungen der EZB. Das stellt insbesondere Immobilieninvestoren, die auf vergleichsweise viel Fremdkapital angewiesen sind, vor Herausforderungen. Gleichzeitig sind positive fundamentale Faktoren wie die Nachfrage nach Wohnimmobilien in guter Lage oder auch hochwertige Gewerbeflächen, in vielen Metropolen weiterhin gegeben. Gerade für Banken, Family Offices und Bestandshalter, mit starker Eigenkapitalbasis eröffnet dieses Marktumfeld daher attraktive Opportunitäten für antizyklische Immobilieninvestitionen.
Durch das Service Development Modell, also die Vergabe von Projektentwicklungs- und Manage-to-Green-Leistungen an einen spezialisierten Dienstleister, verbreitert sich zudem die Bandbreite der Investitionsmöglichkeiten von Core oder Core Plus hin zu value-add oder opportunistischen Investments. Durch die Beauftragung eines erfahrenen und leistungsstarken Service Developers lassen sich Risiken minimieren, sodass nun auch schlecht positionierte Bestandsimmobilien mit up-side Potenzial, Grundstücke oder auch Projektentwicklungen in den Investmentfokus rücken können.
Das Service Development Modell erlaubt es kapitalstarken Investoren, frühzeitig in die Wertschöpfungskette einzusteigen und von den aktuell vorteilhaften Rahmenbedingungen zu profitieren. Bei der Umsetzung zählen vor allem die Projektentwicklungsexpertise des Auftragnehmers, klare Kommunikationsprozesse und eine intelligente Vertragsgestaltung.
Der historisch rasante Zinsanstieg der vergangenen Monate, der Ukraine-Krieg und die drohende Rezession haben den deutschen Immobilientransaktionsmarkt weitgehend zum Erliegen gebracht. Diese makroökonomischen Entwicklungen spiegeln sich auch deutlich in der Preisgestaltung für Grundstücke und Immobilien wider.
Trotz aller finanz- und realwirtschaftlichen Schwierigkeiten bleibt jedoch festzuhalten: In den Metropolen mit starken, zukunftsorientierten Wirtschaftsclustern ist die Nachfrage für Wohn- und Gewerbeimmobilie sowie Quartiersentwicklungen hoch. Letztere sind nicht nur von den Nutzern stark gefragt, sondern auch politisch gewünscht. In den Ballungszentren bleibt zudem die Bautätigkeit weiterhin deutlich hinter der Nachfrage zurück. Zahlungskräftige Büromieter wiederum nehmen pro Quadratmeter tendenziell mehr Geld in die Hand, weil sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern qualitativ hochwertige und moderne Arbeitsplätze bieten und diese an das Unternehmen binden möchten. In Summe spricht also weiterhin vieles für Immobilieninvestitionen an ausgewählten Standorten. Durch den derzeitigen Preisrückgang eröffnen sich gerade für eigenkapitalstarke Investoren ausgesprochen interessante Möglichkeiten. Das betrifft nicht nur den Neubau, sondern auch die Weiterentwicklung eines ggf. vorhandenen Bestandsportfolios durch Revitalisierungen oder Manage-to-Green-Strategien.
Service Developments ermöglichen eine tiefgreifende Wertschöpfung
Banken oder Family Offices bringen die nötige Eigenkapitalstärke mit, um im aktuellen Marktumfeld handlungsfähig zu bleiben und Investitionschancen zu nutzen. Bei vielen Vorhaben ist eine umfassende Projektentwicklungsexpertise erforderlich, um das Potenzial von Grundstücken bzw. Bestandsgebäuden möglichst vollständig und nachhaltig zu heben. Das nötige Know-how und Arbeitskapazitäten werden jedoch nur in wenigen Fällen hausintern vorgehalten. Dies ist der Hauptansatzpunkt des Service Development Modells: Projektentwickler bringen die Erfahrung ihres Teams, Projektsteuerungskapazitäten und ihre Netzwerke ein und werden so als Kooperationspartner für Investoren interessant. Neben einer Entlastung bei der Konzeption und Umsetzung des Projektes reduziert der Auftraggeber durch ein Service Development sein Risiko, denn er holt sich Experten an Bord, deren Tagesgeschäft es unter anderem ist, potenzielle Projektrisiken frühzeitig zu erkennen und zu moderieren. Im Gegensatz zu einem reinen Projektsteuerer ist ein erfahrener Immobilienentwickler zudem in der Lage, durch eigene Impulse zusätzliche Wertsteigerungspotenziale zu identifizieren und zu heben. So kann der Auftragnehmer ein Projekt von Beginn an auf Faktoren wie Wirtschaftlichkeit, Vermietbarkeit, Effizienz, Marktkonformität und Nachhaltigkeit oder Exit-Fähigkeit prüfen. Außerdem kann er Fallstricke beim Schnittstellenmanagement mit den beteiligten Fachplanern, Dienstleistern, Bauunternehmen und Juristen ausräumen. Von diesen Möglichkeiten profitiert der Investor unmittelbar durch verbesserte Renditechancen. Konkret konnten Investoren bei Service Developments in den vergangenen Jahren, je nach Standort, Assetklasse und Projektgegebenheiten, mit durchschnittlichen Bruttoanfangsrenditen zwischen etwa 4,5 Prozent und 6,5 Prozent rechnen.
Verschiedene Konstellationen in der Umsetzung möglich
Für die Umsetzung eines Service Developments gilt: Jedes Projekt erfordert eine individuelle Herangehensweise. Dem muss die Kooperation der Projektpartner Rechnung tragen. Generell können die Beteiligten den Umfang der Beauftragung frei wählen. Die Bandbreite reicht von der Realisierung der Planungsrechtschaffung über die Gesamtprojektsteuerung und die Vermarktung bis hin zum Full-Service-Ansatz. Bei Letzterem wird in der Regel die gesamte Projektentwicklung vom Dienstleister gesteuert. Darin kann beispielsweise auch eine Cost-Overrun-Garantie für den zu beauftragenden Generalunternehmer enthalten sein. Etwaige Sicherheitsbedürfnisse des Auftraggebers wird der Projektentwickler einpreisen. In jedem Fall behält der Investor die Flexibilität, den Umfang und die Intensität der Service Development-Leistung zu bestimmen und so das eigene Rendite-Risiko-Profil zu gestalten.
Praxisbeispiel: Das Quartier an den Stadtmauern in Bamberg
Ein typisches Anwendungsbeispiel für ein Service Development ist das „Quartier an den Stadtmauern“ in der Weltkulturerbestadt Bamberg, das wir zwischen 2015 und 2018 für die Sparkasse Bamberg entwickelt haben. Dabei handelt es sich um ein ca. 5.200 Quadratmeter großes Areal mitten in der Altstadt, das lange Zeit brach lag und aufgrund multipler Faktoren als kaum entwickelbar galt. Die Sparkasse Bamberg hatte das Gebiet zwischen der Lange Straße und Franz-Ludwig-Straße bereits im Jahr 1987 erworben. Grund für die lange Zeit des Stillstands war vor allem das herausfordernde städtebauliche Umfeld, denn das Quartier liegt mitten im Weltkulturerbe „Altstadt Bamberg“. Teile der historischen Stadtmauern aus dem 13. und 15. Jahrhundert verlaufen quer durch das Areal, wodurch das Quartier auch seinen Namen erhalten hat. Teil des Ensembles waren zudem sanierungsbedürftige, aber denkmalgeschützte Gebäude, ebenso wie zwei Einzeldenkmäler. Darüber hinaus liegt eine historisch sehr bedeutsame Mikwe, ein jüdisches Tauchbad aus dem 15. Jahrhundert, unter einem ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden Gebäude. Auch hierauf musste bei der Entwicklung Rücksicht genommen werden.
Für die Bamberger Bürgerinnen und Bürger war das Areal jahrelang nicht zugänglich. Es handelte sich um eine verlorene Fläche mitten in Bambergs Stadtzentrum.
Mit einem im Jahr 2015 gestarteten Service Development wurde der jahrzehntelange Stillstand beendet. Es entstand ein gemischt-genutztes Stadtquartier mit 132 Hotelzimmern, 50 Wohnungen, 2.500 m² Einzelhandels- sowie rund 1.200 m² Büro- und Dienstleistungsflächen – insgesamt rund 15.600 m² BGF. Das neue „Quartier an den Stadtmauern“ wurde gestalterisch in das historische Umfeld eingefügt. Der Projektablauf gestaltete sich dabei durchaus herausfordernd: Bauliche Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Denkmalschutz und dem Zustand der historischen Gebäude verlangten nach Flexibilität und einer engen Abstimmung zwischen allen Beteiligten. Dazu zählten neben Investor und Service Developer auch die beteiligten Behörden.
Allen Herausforderungen zum Trotz wurde das Areal Ende 2018 erfolgreich fertiggestellt und auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Sparkasse Bamberg war das Projekt nicht nur ein Reputationsgewinn, auch unter Renditegesichtspunkten zeigte das Service Development seine Qualitäten. Bis heute hält das Institut das Quartier in seinem Bestand.
Kommunikation und flexible Verträge reduzieren potenzielle Risiken
Das Praxisbeispiel „Quartier an den Stadtmauern“ verdeutlicht die Chancen, aber auch die Komplexität, die ein Service Development Mandat mit sich bringt. Gerade bei hochkomplexen Vorhaben ist eine stetige und offene Kommunikation zwischen den Projektpartnern von grundlegender Bedeutung. Partnerschaftliche Abstimmung ist eine wichtige Voraussetzung, um Herausforderungen konstruktiv anzugehen.
Damit die Partnerschaft auf einem soliden Fundament steht und manche Probleme überhaupt nicht erst aufkommen können, ist eine weitsichtige und gleichzeitig flexible Vertragsgestaltung unerlässlich. Dabei heißt es eben nicht „One size fits all“ – im Gegenteil, jeder Vertrag ist an die individuelle Projektaufgabe anzupassen. In jedem Fall jedoch müssen einige grundlegende Aspekte geklärt werden: Dazu gehören etwa mögliche Interessenskonflikte des zu beauftragenden Entwicklers durch eigene Projekte in direkter Umgebung des Service Developments. Es muss ausgeschlossen werden, dass der Entwickler am gleichen Standort ein Objekt realisiert, das z.B. mit Blick auf die Zielgruppen (Vermietung, Exit) zu große Schnittmengen mit dem Auftragsmandat aufweist und ein „Kannibalisierungseffekt“ droht.
Eine Herausforderung bei der Vertragsgestaltung liegt darin, dass Projekte bei Abschluss des Service Development-Vertrags im Hinblick auf zum Teil wesentliche Einzelheiten nicht immer genau definiert werden können. So können sich etwa gerade in frühen Bauphasen mitunter die Grundlagen der Vergütung bzw. die Projektlaufzeiten ändern. In diesem Fall kann eine Lösungsmöglichkeit in der Aufteilung der Vergütung in eine laufende, monatliche und eine erfolgsabhängige Komponente liegen. So könnte der Auftragnehmer für das Erreichen von Meilensteinen wie Planungsrecht, Baugenehmigung, Vorvermietungsquote incentiviert werden.
Auch die Erhöhung der mietzinsrelevanten Fläche durch geschickte Konzeption und Grenzoptimierung des Planungs- und Baurechts kann als Win-Win-Situation incentiviert werden. Ein flexibles Vertragskonstrukt mit einer Beauftragung in mehreren Stufen kann ebenfalls sinnvoll sein. Dies ermöglicht es dem Auftraggeber z.B. zunächst nur die Entwicklungs- und Konzeptionsphase bis zum Erwirken des Planungs- und Baurechts zu beauftragen. Im Anschluss kann der Auftraggeber entscheiden, ob er die Realisierungsphase auslösen möchte oder das entwickelte bzw. repositionierte Asset veräußern möchte. So kann der eigene Kapitaleinsatz flexibel gesteuert werden bei gleichzeitiger Wahrung der Fungibilität.
Aus unserer fast 10-jährigen Erfahrung mit Service Developments wissen wir: Die Vertragsgestaltung im Falle eines Service Developments ist durchaus komplex. Effektive und pragmatische Regelungen lassen sich jedoch immer finden. Zudem steht der Aufwand für die Vertragsgestaltung in keinem Verhältnis zu dem Zeitaufwand, der im Falle einer selbstständigen Umsetzung des Projektes durch den Investor anfallen würde.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Service Developments ermöglichen es Investoren, bereits frühzeitig in die Wertschöpfungskette der Immobilie einzusteigen und das Potenzial von Neu- wie Bestandsgebäuden zu heben. Das Modell hat sich bereits im sehr dynamischen Immobilienzyklus zwischen 2010 und 2020 bewährt. In einem deutlich unsichereren Marktumfeld mit tendenziell stagnierenden bzw. sinkenden Baukosten und zusätzlichen Kaufopportunitäten eröffnen Service Developments gerade eigenkapitalstarken Investoren zusätzliche Chancen. Denn die Verbindung aus Kapitalkraft und Projektentwicklungskompetenz ermöglicht einen frühen bzw. antizyklischen Markteinstieg mit der Chance auf langfristig überdurchschnittliche Renditen. Etwaige Risiken und ein fairer Interessensausgleich zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber lassen sich durch entsprechende Verträge und einen partnerschaftlichen Umgang moderieren.
*Dieser Beitrag wurde erstmalig als Gastbeitrag in dem Magazin Immobilien Finanzierung im August 2023 veröffentlicht.
Auch komplexe Projekte lassen sich als Service Development umsetzen. Hier das 2018 fertiggestellte Quartier an der Stadtmauer in Bamberg.